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Richtlinie für die praktische Ausbildung von Lehrvikaren und Lehrvikarinnen

Vom 1. Juni 1995

ABl. Nr. 53/1995, 69/1996, 105/1998, 106/2006, 275/2006, 19/2017, 115/2019, 139/2020

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Allgemeine Bestimmungen

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§ 1

Lehrvikar oder Lehrvikarin ist, wer entsprechend den Bestimmungen der §§ 6 und 7 OdgA durch die Evangelische Kirche A. B. oder H. B. in ein Ausbildungsdienstverhältnis aufgenommen worden ist.
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§ 2

Das Lehrvikariat dient der Einführung in die Arbeit eines geistlichen Amtsträgers bzw. einer geistlichen Amtsträgerin in der Evangelischen Kirche in Österreich (§ 7 Abs. 3 OdgA).
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§ 3

Beginn und Dauer des Lehrvikariates werden durch § 7 Abs. 1 und 2 der OdgA geregelt.
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Zuteilung

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§ 4

( 1 ) Die Zuteilung des Lehrvikars oder der Lehrvikarin erfolgt durch den zuständigen Oberkirchenrat für die gesamte Dauer des Lehrvikariats zu nur einem Lehrpfarrer oder einer Lehrpfarrerin.
( 2 ) Der zuständige Oberkirchenrat erstellt — in der Kirche A. B. aus den Vorschlägen der Superintendenten und Superintendentinnen — eine Liste von Lehrpfarrern und Lehrpfarrerinnen, die jährlich zu überprüfen ist. Als Lehrpfarrer oder Lehrpfarrerin sind nur akademisch gebildete Theologen und Theologinnen mit wenigstens fünf Dienstjahren nach ihrer Ordination vorzusehen, die durch ihre Amtsführung die Gewähr bieten, dass die Ausbildungsziele erreicht werden können. In begründeten Ausnahmefällen kann der zuständige Oberkirchenrat von der Fünfjahresfrist absehen.
( 3 ) Vor der Zuteilung sind das zuständige Presbyterium und der Lehrpfarrer oder die Lehrpfarrerin anzuhören.
( 4 ) Der Lehrpfarrer oder die Lehrpfarrerin hat den Lehrvikar oder die Lehrvikarin im Rahmen der Ausbildung zu begleiten, das Gespräch mit ihm oder ihr zu pflegen und die Ausbildung so zu regeln, dass das allgemeine (§ 2) und die besonderen (§ 6) Ausbildungsziele erreicht werden können.
( 5 ) Der Oberkirchenrat A. u. H. B. soll einmal im Jahr die Lehrpfarrer und Lehrpfarrerinnen zu Beratungen über die Ausbildung einberufen.
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Beauftragung

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§ 5

Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin wird durch den Lehrpfarrer oder die Lehrpfarrerin in einem Gottesdienst vorgestellt und in den Dienst eingeführt. Er oder sie wird beauftragt, nach jeweils sorgfältiger und mit dem Lehrpfarrer oder der Lehrpfarrerin vorzunehmender Vorbereitung, Gottesdienste (Predigtdienst und Sakramentspendung) und Amtshandlungen vorzunehmen. Er oder sie tut dies unter der Verantwortung des Lehrpfarrers oder der Lehrpfarrerin, oder während des Besuchs des Predigerseminars unter der des Rektors oder der Rektorin.
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Ausbildungsziele

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§ 6

Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin soll durch die Ausbildung befähigt werden, die biblische Botschaft in Übereinstimmung mit dem Bekenntnis der Evangelischen Kirche A. B. oder H. B. den Menschen unserer Zeit in verantwortlicher Weise zu bezeugen. Dafür soll er oder sie insbesondere
  1. den Stil entwickeln, in dem er oder sie glaubwürdig und verständlich in den verschiedenen Formen der Verkündigung zu reden vermag;
  2. die Gottesdienste und Amtshandlungen in ihrer Vielfalt entsprechend den Ordnungen der Evangelischen Kirche A. B. und H. B. in Österreich zu gestalten lernen;
  3. didaktische Kenntnisse erweitern und sie in Religions- und Konfirmandenunterricht, Jugendarbeit, Erwachsenenbildung und Übertrittsunterricht erproben;
  4. einzelnen Menschen und Gruppen in ihren Nöten und Konflikten begegnen und ihnen in Seelsorge und Beratung mit diakonischer und sozialer Hilfe beizustehen lernen;
  5. Strukturen und Organisationsformen der Kirche und Gesellschaft erkennen, sie zu beurteilen und mitzugestalten lernen und sie für den Auftrag der Kirche zu nützen verstehen;
  6. in ökumenischer Zusammenarbeit konfessionelle Fragen erkennen lernen, um den evangelischen Beitrag einbringen zu können.
  7. Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin wird dabei folgende Kompetenzen und allgemeine Fähigkeiten, die für die Berufsausübung wichtig sind, entfalten müssen:
    1. Umgang mit Gruppen, Mitarbeitenden, Vorgesetzten und Kollegen und Kolleginnen;
    2. Anwendung erlernter wissenschaftlicher Methoden in der Praxis;
    3. Entwicklung eigener Initiative und Verantwortung;
    4. Reflexionsvermögen und kritische Urteilsbildung, vor allem gegenüber dem eigenen Handeln und dessen Bedeutung;
    5. Exemplarisches Arbeiten, Setzen von Schwerpunkten und die Entwicklung eigener Begabungen;
    6. Planung und Durchführung eigener theologischer, wissenschaftlicher und allgemeiner Fort- und Weiterbildung.
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Religionsunterricht

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§ 7

( 1 ) Das Lehrvikariat soll eine eingehende und grundlegende Einführung in den Religionsunterricht, möglichst an allen Schultypen vermitteln. Es gilt die Verordnung für die Induktionsphase Evangelische Religion. Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin hat alle staatlichen Vorgaben zu erfüllen, um den in der Induktionsphase zu erwartenden Verwendungserfolg gemäß § 39 VBG aufzuweisen. Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin nimmt am Einführungskurs der KPH teil. KPH-Seminare und ein Evaluierungsseminar (im Juni) ergänzen die religionspädagogische Ausbildung. Der Fachinspektor oder die Fachinspektorin inspiziert den Unterricht im ersten Jahr.
( 2 ) Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin hat sich nach Absprache mit dem zuständigen Schulamt selbst in der vorgesehenen Anmeldefrist bei der zuständigen Bildungsdirektion online für die Induktionsphase anzumelden.
( 3 ) Der Lehrvikar oder die Lehrvikarin hat überdies in Absprache mit dem Lehrpfarrer oder der Lehrpfarrerin den Religionsunterricht an den Pflichtschulen auf dem Gebiet der Pfarrgemeinde zu hospitieren.
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Predigerseminar

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§ 8

( 1 ) Das Predigerseminar wird durch den Besuch eines Einführungskurses, der gegen Ende des ersten Lehrvikariatsjahres zu absolvieren ist, sowie weitere vier Grundkurse in der Gesamtdauer von in der Regel 17 Wochen absolviert. Die Grundkurse sind so anzusetzen, dass sie spätestens bis zur Mitte des Monats Mai im zweiten Lehrvikariatsjahr beendet sind.
( 2 ) Im Predigerseminar wird die kirchliche Praxis grundsätzlich erarbeitet, theologisch durchdacht, exemplarisch durchgeführt und beurteilt, Dabei sind die in der Praxis gemachten Erfahrungen einzubringen. Besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Berufsausübung wichtig sind, werden vermittelt.
( 3 ) Die Grundkurse sind: ein religionspädagogischer, ein homiletischer, ein kybernetischer sowie ein Kurs für Seelsorge.
( 4 ) Exkursionen in Gemeinden und Anstalten der Evangelischen Kirche in Österreich sind vorzusehen. Eine Studienfahrt kann nach den gegebenen Möglichkeiten in das Ausbildungsprogramm aufgenommen werden.
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Projektmanagementaufgabe

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§ 9

Im Rahmen eines Grundkurses (§ 8 Abs. 3) findet eine Einführung in das Projektmanagement statt. Im Zuge dieser Unterrichtseinheit wählt der Lehrvikar oder die Lehrvikarin ein Thema für ein Projekt in der Pfarrgemeinde, das eigenständig mit Mitarbeitenden geleitet und durchführt wird. Dieses Projekt wird im kybernetischen Kurs dem Bischof oder der Bischöfin bzw. dem Landessuperintendenten oder der Landessuperintendentin sowie dem für Ausbildungsangelegenheiten zuständigen Mitglied des Oberkirchenrates A.u.H.B. vorgestellt.
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Beurteilung

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§ 10

Über das Lehrvikariat hat der Lehrvikar oder die Lehrvikarin einen Bericht zu verfassen. Der Lehrpfarrer oder die Lehrpfarrerin sowie der Rektor oder die Rektorin des Predigerseminars haben eine Beurteilung auf Basis eines Fragenrasters abzugeben, welches sich an den Ausbildungszielen in § 6 orientiert. Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungen, der Projektmanagementaufgabe und der Stellungnahme des zuständigen Superintendenten oder der zuständigen Superintendentin bzw. des Landessuperintendenten oder der Landessuperintendentin ist nach Anhören des Lehrvikars oder der Lehrvikarin vom zuständigen Oberkirchenrat festzustellen, ob das Lehrvikariat erfolgreich abgeschlossen wurde oder ob es teilweise oder zur Gänze zu wiederholen ist (§ 7 Abs. 5 OdgA).
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Übergangs- und Schlussbestimmungen

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§ 11

Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2019 in Kraft.