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Kirchengericht:Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B.
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.12.2020
Aktenzeichen:R1/2020
Rechtsgrundlage:§ 31 Abs 1 KVO, § 43 Abs 3 KVO, Art 119 Abs 1 Z 10 KV, § 43 Abs 3 KVO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte: Beschwerde gegen Bescheide und Maßnahmen wegen Gesetzwidrigkeit oder Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers (Art 119 Abs 1 Z 6 u. 7 u. 10 KV; Art 119 Abs 2 zweiter Fall KV), Anweisung des Datenschutzsenats, Aufschiebende Wirkung, Aufschiebungsgründe, Bescheidcharakter einer Erledigung, Interessenabwägung bei kircheninternem Streit
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Leitsatz:

  1. Der Bescheidcharakter einer Erledigung im innerkirchlichen Verwaltungsverfahren ist daran zu messen, ob nach ihrem Inhalt eine normative Erledigung vorliegt und ein Bescheid zu erlassen war. Bringt die sprachliche Gestaltung der Erledigung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, liegt kein Bescheid vor. Ist eine Erledigung in Briefform verfasst und weder als Bescheid bezeichnet, noch bescheidmäßig gegliedert, ist diese Erledigung nicht als Bescheid zu qualifizieren.
    Ein Nicht-Bescheid kann keine Rechtsfolgen nach sich ziehen (§ 31 Abs 1 KVO).
  2. Die Beurteilung, ob ein Nachteil unverhältnismäßiger ist, darf einer Interessenabwägung zwischen den aus einer Hemmung der Bescheidwirkung erwachsenden Nachteilen für die Kirche und den Beeinträchtigungen, die der Beschwerdeführer bei sofortiger Bescheidausführung zu tragen hat.
    Die Befürchtung einer Pfarrgemeinde als Bescheidführerin, bis zur denkmöglichen Stattgeben ihrer Rechtsmittel könne es eine Austrittswelle unter ihren Mitgliedern infolge Vorschreibung der gesetzmäßigen Kirchenbeiträge durch die Aufsichtsbehörde geben, erfüllt die Voraussetzungen nach § 43 Abs 3 KVO nicht.
  3. Auch einer Bescheidbeschwerde nach Art 119 Abs 1 Z 10 KV kann aufschiebende Wirkung zuerkannt werden.
    Gibt es in einem Streitfall keinen von der Kirche zu unterscheidenden Dritten, dessen Interessen im Rahmen einer Abwägung den Interessen der Kirche gegenübergestellt werden könnten (hier: Beschwerde der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich gegen eine Anweisung des Datenschutzsenats der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich), ist allein zu prüfen, ob die von der Evangelischen Kirche als Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufschiebungsgründe plausibel und berücksichtigungswürdig sind (Art 119 Abs 1 Z 10 KV, § 43 Abs 3 KVO).
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Az: R1/2020
Der Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich hat durch seinen Präsidenten SPdOGH Dr. Manfred Vogel, die rechtskundigen Mitglieder Präsident dLG i.R. Dr. Hans-Peter Kirchgatterer und RA Dr. Klaus Dörnhöfer sowie die zum geistlichen Amt befähigten Mitglieder Rektorin Mag. Johanna Uljas-Lutz und Pfarrer i.R. Mag. Johann Ulreich
im Verfahren über die Beschwerde der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich, mitbeteiligte Parteien 1. Präsident der Generalsynode der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich Dr. Peter Krömer, 2. Datenschutzbeauftragte der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich Mag. Sigrun Plattner, LLM, alle Wien 18, Severin-Schreiber-Gasse 1-3, gegen die Anweisung des Datenschutzsenats der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich vom 26. 11. 2020, AZ DSS/00007/SO/2020/2, betreffend Microsoft 365, den
Beschluss
gefasst:
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  1. Der Beschwerde der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich gegen die Anweisung des Datenschutzsenats der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich vom 26. 11. 2020, AZ DSS/00007/SO/2020/2, betreffend Microsoft 365, wird aufschiebende Wirkung zuerkannt.
  2. Dem Datenschutzsenat wird eine Gegenäußerung zur Beschwerde binnen vier Wochen freigestellt.
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B e g r ü n d u n g :

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I. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist lt. Beilage .A aktenkundig:
Das mit 26.11.2020 datierte Schreiben des Datenschutzsenats der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich (in der Folge: Datenschutzsenat) wurde der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich (in der Folge: Evangelische Kirche) als Adressatin am selben Tag zugestellt.
Darin erteilt der Datenschutzsenat „auf der Grundlage der Art. 142 Abs. 2 KV iVm Art. 58 Abs. 2 lit. d, f, j DSGVO“ die Anweisung, „ab sofort alle weiteren Umstiegshandlungen auszusetzen und dem Datenschutzsenat bis spätestens 3. Dezember 2020 über den Sachstand zu berichten und insbesondere darzulegen, auf welche Weise die Evangelische Kirche A.u.H.B. in Österreich die Datenschutzkonformität des Dienstes Microsoft 365 trotz den oben wiedergegebenen Bedenken sicherzustellen gedenkt“. Nach dem Inhalt dieses Schreibens wurde diese Anweisung bereits in einer Sitzung des Datenschutzsenates am 16. November 2020 einstimmig beschlossen.
Begründend führt der Datenschutzsenat zusammengefasst aus, er habe davon Kenntnis erlangt, dass die Evangelische Kirche im Bereich ihrer Pfarrgemeinden die Nutzung des Dienstes „Microsoft 365“ propagiere. Mit der Nutzung dieses Dienstes sei die Annahme standardisierter Vertragsbedingungen und die Speicherung von Nutzerdaten in wo auch immer gelegenen Rechenzentren von Microsoft verbunden. Der Datenschutzsenat sei nicht in der Lage, die angekündigte Nutzung dieses Dienstes einer umfassenden eigenen Prüfung zu unterziehen und greife in Erfüllung seiner Aufgaben auf ihm unbedenklich erscheindende Untersuchungen Dritter zurück. So habe die deutsche Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis genommen, dass zwei dem genannten Dienst zugrunde liegenden (näher genannte) Vertragsdokumente (mit Stand Jänner 2020) keinen datenschutzgerechten Einsatz ermöglichten.
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II. Anträge im Rechtsmittelverfahren

Die Evangelische Kirche qualifiziert dieses Schreiben - unabhängig von der fehlenden Bezeichnung „Bescheid“ - als Bescheid oder hilfsweise jedenfalls als Maßnahme des Datenschutzsenats und bekämpft die darin enthaltene Anweisung - fristgerecht - mit Beschwerde an den Revisionssenat. Ihr Rechtsmittel verbindet die Evangelische Kirche mit dem Antrag, dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Zur Begründung wird zusammengefasst ausgeführt, die Evangelische Kirche befinde sich seit dem Vorjahr in einer Umstellungsphase, was den reibungslosen Arbeitsablauf in Richtung Verarbeitung der Daten und Datenaustausch/Datenverkehr zwischen der Landeskirche, Gesamtkirchen, Superintendenzen, Pfarr- und Teilgemeinden betreffe. Der Grund liege darin, dass das bisher verwendete System (Microsoft Exchange Server 2010 inklusive Upgrade von Microsoft Office 2010) sein technisches Lebensende erreicht habe und vom Betreiber nicht mehr gewartet werde. Die Datenschutzbeauftragte der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich Mag. Sigrun Plattner LL.M. habe am 7.11.2019 eine umfassende Stellungnahme fachlicher Art über die geplante Änderung und den angedachten Umstieg im Bereich der Evangelischen Kirche auf Office 365 erarbeitet (Beil./B). Darin seien klare Hinweise enthalten, was aus Sicht der Datenschutzbeauftragten zulässig und unbedenklich sei und inwieweit die eine oder andere Funktion nicht freizuschalten bzw. zu deaktivieren sein werde. Der Datenschutzsenat habe sodann gegenüber der Datenschutzbeauftragten in Gesprächen erklärt, keine Bedenken dagegen zu haben, sodass über den Jahreswechsel 2019/2020 die Ablöse des Microsoft Exchange Server 2010 inklusive Upgrade von Microsoft Office 2010 auf Microsoft Office 365 umgesetzt worden sei. Auch in einer virtuellen Konferenz am 20.4.2020 sei die Thematik der Umstellung auf Microsoft Office 365 (inklusive auch diesbezügliches HomeOffice von Mitarbeiter/innen des Kirchenamtes A.B.) besprochen worden, ohne dass Mitglieder des Datenschutzsenates dagegen Einwände erhoben hätten.
Einer der Kritikpunkte am Dienst „Microsoft Office 365“– außerhalb der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich – sei das mögliche Monitoring der Überwachung der Arbeitsleistung durch Microsoft Analytik. Für die Evangelische Kirche sei allerdings sichergestellt, dass Vorgesetzte nicht auf die serverseitige Auswertung Zugriff bekämen, da ein Monitoring zur Leistungsanalyse in Österreich sowohl datenschutzrechtlich als auch arbeitsrechtlich unzulässig wäre. Auch habe die Evangelische Kirche nur eine begrenzte Anzahl von Programmen freigeschaltet, nämlich jene, bei denen die Daten in Rechenzentren innerhalb der Europäischen Union verarbeitet würden. Bei der für die Evangelische Kirche installierten Version Microsoft 365 sei der Versand von Diagnose- und Telemetriedaten automatisch untersagt und finde nicht statt.
Der Datenschutzsenat habe die angefochtene Anweisung bzw. den Bescheid erlassen, ohne zuvor ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und der Evangelischen Kirche Parteiengehör zu gewähren. Die Entscheidung sei deshalb infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften, aber auch ihrem Inhalt nach rechtswidrig.
Die Aussetzung der Umstellung auf Microsoft 365 mit der sofortigen Deaktivierung der Microsoft 365 Pakete, die im Kirchenamt A.B. für die Evangelische Kirche A.u.H.B. in Österreich, Evangelische Kirche A.B. in Österreich, Evangelische Kirche H.B. in Österreich, Superintendenzen, Pfarrgemeinden und Einrichtungen installiert und verwendet werden, hätte gerade im jetzigen Zeitpunkt massive negative Eingriffe in das geistliche und gottesdienstliche Leben der Gesamtkirche und Pfarrgemeinden zur Folge, daneben auch beachtliche negative wirtschaftliche Folgen. Die Kirchenleitungen könnten ab sofort nicht mehr mit den Pfarrgemeinden und anderen Organisationseinheiten auf elektronischem Wege kommunizieren, was im Zusammenhang mit den laufenden Anpassungen von Covid-19-Maßnahmen aufgrund von Verordnungen der zuständigen Bundesminister und Gesprächen bzw. Vereinbarungen der Kirchenleitung mit der Bundesregierung bedeuten würde, dass wichtige Empfehlungen und Anordnungen im Zusammenhang mit Gottesdiensten und Andachten im Dezember 2020 nicht mehr elektronisch, sondern nur mehr postalisch weitergegeben und umgesetzt werden könnten. Weitere Erschwernisse ergäben sich in den Bereichen Kirchenbeitragseinhebung und Matrikenwesen.
Eine Umstellung des laufenden Microsoft 365 Systems inklusive der Dienst E-Mail-Adresse auf ein selbst betriebenes System mit anderen Softwarelizenzen erfordere eine Umstellungszeit von rund sechs bis acht Monaten bei einem Finanzaufwand von mindestens 220.000 EUR.
Die staatliche österreichische Datenschutzbehörde habe sich bislang zum Einsatz von Microsoft Office 365 weder geäußert noch Überprüfungsverfahren eingeleitet oder Untersagungsbescheide erlassen. Office 365 (mindestens Microsoft Teams, Word und PowerPoint) sei zu Schulzwecken in öffentlichen Schulen in Verwendung. Geistliche Amtsträger/innen, die im Rahmen ihres Dienstauftrages Religionsunterricht erteilen, müssten diesen Dienst verwenden.
Der Evangelische Oberkirchenrat A.u.H.B. habe (noch vor Zustellung der hier bekämpften Entscheidung) nach Anhörung von Rechts- und Verfassungsausschuss der Generalsynode die Durchführungsverordnung ABl. Nr. 215/2020 (Mail-VO 2.40.0204 betreffend dienstliche E-Mail-Adressen) mit Rechtswirksamkeit 6.12.2020 beschlossen.
Bei der entsprechenden Interessensabwägung ergebe sich sohin, dass bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorerst keine gravierenden Nachteile Dritter in Richtung Datensicherheit erwachsen werden, andererseits bei sofortigem Vollzug der Anweisung des Datenschutzsenates den Evangelischen Kirchen ein unwiederbringlicher und schwerer Nachteil entstehen würde. Zu berücksichtigen sei auch, dass alle Nachteile – in welcher Form auch immer – die Evangelischen Kirchen treffen würden, da der Datenschutzsenat eine unabhängige Aufsichtsbehörde der Evangelischen Kirchen sei, deren Kosten und finanziellen Aufwand die Evangelischen Kirchen zu tragen hätten.
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III. Gegenäußerung

Eine Gegenäußerung der belangten Behörde zur Beschwerde wurde wegen der Dringlichkeit zur Erledigung des Antrags auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung vorläufig noch nicht eingeholt.
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IV. Rechtlicher Rahmen (Normtexte teilweise in Auszügen)

Verordnung des Oberkirchenrates A.u.H.B. zu § 4 Abs. 4 DatSchG vom 7. Dezember 2020, ABl. Nr. 215/2020 (Mail-VO 2.40.0204 betreffend dienstliche E-Mail-Adressen)
  1. Die Verwendung dienstlicher E-Mail-Adressen nach § 4 Abs. 4 DatSchG wird für folgende Nutzergruppen ab 6. Dezember 2020 in Kraft gesetzt: a) Geistliche Amtsträger und geistliche Amtsträgerinnen der Kirche A.B., die sich in einem aktiven Dienstverhältnis zur Kirche befinden; b) Lehrvikare und Lehrvikarinnen sowie Pfarramtskandidaten und Pfarramtskandidatinnen der Kirche A.B.; c) Fachinspektoren und Fachinspektorinnen für den Evangelischen Religionsunterricht; d) Pfarrgemeinden, die dem Kirchenregiment A.B. unterstehen sowie Teilgemeinden, die sich im Verwaltungsprogramm „Die Evangelischen Gemeindedaten Online“ (EGON) selbst verwalten; e) Superintendenturen; f) Schulämter.
  2. Ab 6. Dezember 2020 ist die zur Verfügung gestellte dienstliche E-Mail-Adresse regelmäßig auf eingehende Nachrichten zu überprüfen. Für kircheninterne Nachrichten ist ausschließlich diese Adresse zu verwenden. Mitteilungen der Kirchenleitung A.B. und des Kirchenamtes A.B. an die genannten Nutzergruppen erfolgen ab 6. Dezember 2020 exklusiv an die zur Verfügung gestellte dienstliche Adresse.

§ 43 Kirchliche Verfahrensordnung (KVO)
Abs 1
Beschwerden nach Art. 119 Abs. 1 Z. 6 KV sind binnen vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung der letzten Instanz beim Revisionssenat einzubringen.
Abs 3
Beschwerden und Anfechtungen gemäß Art. 119 Abs. 1 Z. 6 und Abs. 3 KV sowie Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Beschwerdefrist haben keine aufschiebende Wirkung. Aufschiebende Wirkung kann im Einzelfall auf Antrag des Beschwerdeführers zuerkannt werden, wenn ihm ohne diese aufschiebende Wirkung bei denkmöglicher Stattgebung der Beschwerde ein nicht wieder gutzumachender oder unverhältnismäßiger Nachteil entstünde.

Art 124 Abs 5 Kirchenverfassung (KV)
Gegen Bescheide und Maßnahmen des Datenschutzsenates sowie im Falle der Verletzung der Entscheidungspflicht des Datenschutzsenates sind ausschließlich Beschwerden (Rechtsbehelfe) an den Revisionssenat möglich.

Art 119 Abs 1 Z 10 KV
Der Revisionssenat erkennt:
10. über Beschwerden gegen Bescheide und Maßnahmen des Datenschutzsenates, soweit der Beschwerdeführer oder die Beschwerdeführerin behauptet, in seinen bzw. ihren datenschutzrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt zu sein; sowie über die Verletzung der Entscheidungspflicht des Datenschutzsenates und in sonstigen Angelegenheiten des kirchlichen Datenschutzrechtes.

Art 124 KV
Abs 1
Der Datenschutzsenat ist die unabhängige Aufsichtsbehörde der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich, der in ihr zusammengeschlossenen Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Evangelischen Kirche H.B. in Österreich samt deren selbstständigen Körperschaften (Art. 13 Abs. 1) im Bereich des Datenschutzes gemäß Art. 91 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz- Grundverordnung), ABI. (EU) Nr. L 119 v. 04.05.2016.
Abs 2
Dem Datenschutzsenat kommen die Aufgaben einer Aufsichtsbehörde gemäß Kapitel VI. der Datenschutz-Grundverordnung inklusive der staatlichen Datenschutzbehörde im Sinne staatlicher gesetzlicher Bestimmungen sinngemäß für den Bereich der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich (samt Evangelischer Kirche A.B. und Evangelischer Kirche H.B. samt deren selbstständiger Körperschaften gemäß Art. 13 Abs. 1) zu.

§ 10 Abs 3 DatenschutzG
Der Datenschutzsenat kann gegenüber Körperschaften gemäß § 1 Bescheide erlassen, um den Datenschutz im Sinne dieses Kirchengesetzes zu gewährleisten. Eine Ausfertigung des Bescheides ist dem Oberkirchenrat A.u.H.B. (soferne dieser nicht Bescheidadressat selbst ist) abschriftlich zur Verfügung zu stellen, damit dieser allenfalls nötige Maßnahmen, aber auch die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Amtsträger veranlassen kann. Gegen solche Bescheide kann binnen vier Wochen Beschwerde an den Revisionssenat vom Bescheidadressat erhoben werden.

Art 58 Abs 2 DSGVO
Jede Aufsichtsbehörde verfügt über sämtliche folgenden Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten,
d)
den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen,
f)
eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen,
j)
die Aussetzung der Übermittlung von Daten an einen Empfänger in einem Drittland oder an eine internationale Organisation anzuordnen.
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V. Der Revisionssenat hat zum Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erwogen:

  1. Es liegt eine vor dem Revisionssenat anfechtbare Entscheidung vor
    Gem § 31 Abs 1 KVO sind Entscheidungen der nach § 19 KVO zuständigen Organe im Verwaltungsverfahren schriftlich als Bescheid zu erlassen.
    Nach der Rechtsprechung des Senats (R 5/2018) ist der Bescheidcharakter einer Erledigung im innerkirchlichen Verwaltungsverfahren daran zu messen, ob nach ihrem Inhalt eine normative Erledigung vorliegt und ein Bescheid zu erlassen war. Nur wenn die sprachliche Gestaltung der Erledigung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, liegt kein Bescheid vor.
    Hier lässt die Formulierung der Anweisung des Datenschutzsenats an die Evangelische Kirche, „ab sofort alle weiteren Umstiegshandlungen auszusetzen“ keinen Zweifel daran, dass das Entscheidungsorgan damit eine normative Erledigung einer in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Materie treffen wollte. Der Datenschutzsenat ist gem. § 10 Abs 3 DatenschutzG iVm Art 58 Abs 2 lit f DSGVO ua dazu berufen, Bescheide betreffend eine vorübergehende Beschränkung der Verarbeitung von Daten, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.
    Der Revisionssenat erkennt über Beschwerden gegen Bescheide und Maßnahmen des Datenschutzsenates „in sonstigen Angelegenheiten des kirchlichen Datenschutzrechtes“ (Art 119 Abs 1 Z 10 KV). Eine solche Angelegenheit liegt hier vor.
  2. Auch einer Bescheidbeschwerde nach Art 119 Abs 1 Z 10 KV kann aufschiebende Wirkung zuerkannt werden
    Bescheidbeschwerden an den Revisionssenat nach Art 119 Abs 1 Z 6 KV haben keine aufschiebende Wirkung; eine solche Wirkung kann im Einzelfall auf Antrag des Beschwerdeführers zuerkannt werden (§ 43 Abs 3 KVO). Für Bescheidbeschwerden nach Art 119 Abs 1 Z 10 KV kann nichts anderes gelten, weil es sich auch dabei um die Anfechtung eines Bescheids handelt und keine Gründe für eine Ungleichbehandlung dieser beiden Bescheidbeschwerdefälle ersichtlich sind; es ist deshalb auch hier § 43 Abs 3 KVO per analogiam anzuwenden.
  3. Der Antrag ist berechtigt
    Aufschiebende Wirkung kann einer Bescheidbeschwerde im Einzelfall auf Antrag des Beschwerdeführers zuerkannt werden, wenn ihm ohne diese aufschiebende Wirkung bei denkmöglicher Stattgebung der Beschwerde ein nicht wieder gutzumachender oder unverhältnismäßiger Nachteil entstünde (§ 43 Abs 3 KVO).
    Ein Nachteil (Schaden) ist dann als nicht wieder gutzumachend anzusehen, wenn eine Zurückversetzung in den vorigen Stand (Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB) überhaupt nicht oder doch nur mit größten Schwierigkeiten und unter Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten möglich wäre und entweder Geldersatz nicht geleistet werden kann, oder sich der angerichtete Nachteil in seinen Auswirkungen durch Geldersatz nicht völlig ausgleichen lässt (vgl RIS-Justiz RS005275 zu § 381 EO). Ein schwer wieder gutzumachender Nachteil ist noch kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne des § 43 Abs 3 KVO (Revisionssenat R 1,2/2016).
    Die Beurteilung, ob ein Nachteil unverhältnismäßig ist, bedarf einer Interessenabwägung zwischen den aus einer Hemmung der Bescheidwirkung erwachsenden Nachteilen für die Kirche und den Beeinträchtigungen, die der Beschwerdeführer bei sofortiger Bescheidausführung zu tragen hat (Revisionssenat R 1,2/2016).
    Die Besonderheit im Anlassfall liegt darin, dass der angefochtene Bescheid vom Datenschutzsenat als einer Organisationseinheit der Beschwerdeführerin erlassen worden ist, die von der Beschwerdeführerin mit den Aufgaben einer Aufsichtsbehörde in datenschutzrechtlichen Belangen betraut worden ist. Daraus folgt, dass es in diesem Streitfall keinen von der Kirche zu unterscheidenden Dritten gibt, dessen Interessen im Rahmen einer Abwägung den Interessen der Kirche gegenübergestellt werden könnten. Es ist daher allein zu prüfen, ob die von der Evangelischen Kirche als Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufschiebungsgründe plausibel und berücksichtigungswürdig sind. Dies ist in allen angeführten Gesichtspunkten uneingeschränkt zu bejahen:
    Eine sofortige Aussetzung der bereits begonnenen schrittweisen Einführung eines neuen EDV-Dienstes einschließlich Mail-System zum Ersatz eines durch Zeitablauf untauglich gewordenen Altsystems hätte vor allem zur Folge, dass keine kirchlich verantwortete elektronische Kommunikation zwischen den Kirchenleitungen, den Pfarrgemeinden und allen anderen Organisationseinheiten und Einrichtungen der Kirche mehr möglich ist, was gerade in Zeiten erhöhten und raschen Informationsbedarfs infolge der gegenwärtigen Pandemie-Situation unerträglich wäre. Weitere zu erwartende schwerwiegende Nachteile betreffen in wirtschaftlicher Hinsicht die Einbringung der Kirchenbeiträge und in organisatorischer Hinsicht das Matrikenwesen.
    Der Bescheidbeschwerde ist deshalb aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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Wien, am 15. Dezember 2020
Dr. Manfed Vogel e.h.
Präsident