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Kirchengericht: | Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B. |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 13.09.2006 |
Aktenzeichen: | R5/2006 |
Rechtsgrundlage: | § 88 Abs 6 KVO, Art 17 KV, § 20 KVO |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Beschwerde gegen Bescheide und Maßnahmen wegen Gesetzwidrigkeit oder Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers (Art 119 Abs 1 Z 6 u. 7 u. 10 KV; Art 119 Abs 2 zweiter Fall KV), Befangenheit, Formfehler, Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in Vertretungsorganen, Urschrift, Verletzung des passiven Wahlrechts, Wahlfähigkeit zum Amt des Superintendentialkurators |
Leitsatz:
- Trägt die Ausfertigung des bekämpften Bescheids entgegen § 88 Abs 6 KVO nur die Unterschrift eines Mitglieds des Evangelischen Oberkirchenrats A.B., hindert dieser Formfehler die Wirksamkeit des bekämpften Bescheid nicht, wenn die Urschrift von zwei Mitgliedern des Evangelischen Oberkirchenrats A.B. gefertigt worden ist.
- 1) Art 17 KV regelt - als einzige generelle Norm - die Unvereinbarkeiten.2) Einem Kandidaten kann nicht allein deshalb die Wahlfähigkeit für das Amt des Superintendentialskurators abgesprochen werden, weil er bei einer Pfarrgemeinde beschäftigt und seine Lebensgefährtin Pfarrerin in der betreffenden Superintendenz ist, weshalb er in der Ausübung seines Amtes in Einzelfällen, die ihn oder seine Lebensgefährtin (mit-)betreffen, befangen sein könnte.3) Die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in Vertretungsorganen bezieht sich jeweils auf Dienstverhältnisse derselben Ebene.
- Einer Befangenheit ist in geeigneter Weise durch die kirchenrechtlich vorgesehenen Vertretungsregelungen zu begegnen.
Az: R5/2006 | |
Der Revisionssenat der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich hat durch seinen Präsidenten HRdOGH Dr. Manfred Vogel als Vorsitzenden in Gegenwart seines Stellvertreters RA Dr. Klaus Hoffmann und durch HRdVwGH Dr. Dieter Beck sowie PräsdLG Dr. Hans-Peter Kirchgatterer als rechtskundige Mitglieder und der zum geistlichen Amt befähigten Mitglieder Pfarrer i.R. Mag. Gottfried Fliegenschnee und Rektor Dr. Gerhard Harkam im Beisein der Schriftführerin Trimmel über die Beschwerde des *****, *****, *****, | |
gegen den Bescheid des Evangelischen Oberkirchenrates A.B. vom 21.3.2006, Zl. Sup 1;1053/2006, | |
nach mündlicher Verhandlung am 13.9.2006 den | |
Beschluss | |
gefasst: |
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
#B e g r ü n d u n g :
Der Beschwerdeführer wurde als Kandidat zur Wahl zum Superintendentialkurator der Superintendenz A.B. ***** vorgeschlagen und hat erklärt, sich dieser Wahl zu stellen.
Mit Bescheid vom 21.3.2006 stellte der Evangelische Oberkirchenrat A.B. fest: „Herr *****, *****, *****, ist für die Funktion des Superintendentialkurators der Superintendenz A.B. ***** nicht wahlfähig.“ In der Begründung des Bescheids wird darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer in Lebensgemeinschaft mit Frau Pfarrerin ***** lebe und als Kanzleikraft in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis zur Pfarrgemeinde ***** stehe. Gemäß Art 17 KV und gemäß § 3 2. Teil der Verfahrensordnung sei die Kandidatur des Beschwerdeführers aus mehreren Gründen auszuschließen. Art 17 KV lege fest, dass Personen, die zu einer Pfarrgemeinde oder Superintendenz in einem Dienstverhältnis oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis stünden, keinem ihrer Vertretungsorgane angehören dürften. Als Superintendentialkurator wäre der Beschwerdeführer Mitglied des Superintendentialausschusses und hätte damit gemäß Art 61 KV ua auch die Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens der Gemeinden zu vollziehen, also auch jener, von der er teilbeschäftigt angestellt worden sei. Weiters hätte er bei der Genehmigung von Vereinbarungen mit neben- oder hauptamtlichen Mitarbeitern der Gemeinden mitzuwirken, also auch wenn solche Vereinbarungen ihn selbst betreffen. Hinsichtlich Pfarrstellen - also auch jener seiner Lebensgefährtin - hätte er an Veränderungen und Umwandlungen von Pfarrstellen und Amtsaufträgen ebenso mitzuwirken wie bei Visitationen. Der Beschwerdeführer müsste sich in all diesen Fällen der Ausübung des Amtes enthalten und seine Vertretung veranlassen, was insbesondere dann nicht mehr praktikabel sei, wenn es sich um generell getroffene oder zu treffende Regelungen handle, die alle Gemeinden oder alle geistlichen Amtsträgerinnen und Amtsträger der Superintendenz betreffen, also zB die Festsetzung des Superintendentialbeitrags oder die Stützung von Reise- und Aufenthaltskosten für Pfarrkonferenzen.
Dem Beschwerdeführer wurde in dem vor dem Oberkirchenrat A.B. geführten Verfahren keine Gelegenheit zur Äußerung geboten.
Der Beschwerdeführer bekämpft den angeführten Bescheid gemäß Art 119 Abs 1 Z 6 und 7 KV wegen Verletzung seines passiven Wahlrechts. Dem Bescheid sei eine telefonische Anfrage des Superintendenten um Rechtsauskunft vorausgegangen. Er selbst habe einen Antrag gemäß Art 17 Abs 4 KV auf Nachsicht von der Unvereinbarkeit gestellt, zu dem er nicht gehört worden sei. Trotz seiner Bereitschaft zur Kandidatur sei er zur Wahl nicht zugelassen worden.
#Der Oberkirchenrat A.B beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.
Die Beschwerde ist gemäß Art 119 Abs 1 Z 7 KV zulässig; sie ist auch berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass die Ausfertigung des bekämpften Bescheids entgegen § 88 Abs 6 KVO nur die Unterschrift eines Mitglieds des Evangelischen Oberkirchenrats A.B. trägt. Dieser Formfehler hindert jedoch die Wirksamkeit des bekämpften Bescheids nicht, wenn - wie in der Gegenschrift behauptet - die Urschrift von zwei Mitgliedern des Evangelischen Oberkirchenrats A.B. gefertigt worden ist. Ob dies zutrifft, bedarf aber im Hinblick auf die Aufhebung des Bescheids keiner weiteren Prüfung.
Gemäß Art 10 Abs 7 KV hat die Beauftragung zu einem kirchlichen Amt in der Regel durch Wahl zu erfolgen. Art 10 Abs 8 KV ordnet für alle Wahlen grundsätzlich das gleiche, unmittelbare, geheime und persönliche Wahlrecht an. Um wählbar zu sein, muss der Kandidat der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich oder der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich angehören. Gemäß Art 55 Abs 1 KV wählt die Superintendentialversammlung unter anderen den Superintendentialkurator und dessen zwei Stellvertreter. Der Superintendentialkurator ist gemäß Art 60 Abs 1 KV Mitglied des Superintendentialausschusses.
Nähere Bestimmungen über den Wahlvorgang enthält die Wahlordnung (WO). § 32 Abs 1 WO bestimmt, dass jedes wahlfähige Glied der Kirche A.B. in der Superintendenz als Superintendentialkurator wählbar ist. Dass der Beschwerdeführer der Evangelischen Kirche A.B. in der betreffenden Superintendenz angehört, ist unbestritten. Es bleibt zu prüfen, ob er aus den im Bescheid genannten Gründen nicht wahlfähig ist.
Art 17 KV regelt - als einzige generelle Norm - die Unvereinbarkeiten. Danach ist niemand zum Mitglied in zwei oder mehreren Vertretungskörpern derselben Stufe wählbar (Abs 1). In einem näher aufgezählten Naheverhältnis zueinander stehende Personen (darunter Lebensgefährten) dürfen - abgesehen von der Gemeindevertretung, der Gemeindeversammlung, der Superintendentialversammlung, den Synoden und der Generalsynode - einem Vertretungskörper, dem Revisionssenat oder einer Disziplinarbehörde nicht gleichzeitig angehören (Abs 2). Personen, die zu einer Pfarrgemeinde bzw Superintendenz in einem Dienstverhältnis oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis stehen, dürfen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - keinem ihrer Vertretungsorgane angehören (Abs 3).
Entgegen der Auffassung des angefochtenen Bescheids schließt Art 17 KV eine Kandidatur des Beschwerdeführers als Superintendentialkurator nicht aus. Würde er in diese Funktion gewählt werden, gehörte er auf der Ebene der Superintendenz dem Superintendentialausschuss an und hätte dort die entsprechenden Aufgaben wahrzunehmen. Dass er bereits einem Vertretungskörper auf der Stufe der Superintendenz angehört, oder dass seine Lebensgefährtin Mitglied des Superintendentialausschusses wäre, wurde nicht behauptet. Eine Unvereinbarkeit auf Grund formeller oder persönlicher Umstände (Art 17 Abs 1 und 2 KV) besteht damit nicht.
Der Beschwerdeführer ist aber - entgegen der Begründung des bekämpften Bescheids - auch nicht deshalb von der Kandidatur zum Superintendentialkurator ausgeschlossen, weil er in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis als Kanzleikraft in der Pfarrgemeinde ***** tätig ist: Nach dem insoweit klaren Wortlaut des Art 17 Abs 3 KV bezieht sich die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in Vertretungsorganen jeweils auf Dienstverhältnisse derselben Ebene; der Beschwerdeführer kann demnach auf Grund seiner kirchlichen Beschäftigung keinem Vertretungsorgan der ihn beschäftigenden Pfarrgemeinde angehören. Dass er aber (auch) in einem Dienstverhältnis oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zur entsprechenden Superintendenz stünde, wurde nicht behauptet; nur dieser Umstand stünde ihm gemäß Art 17 Abs 3 KV entgegen, in einem Vertretungsorgan der Superintendenz tätig zu sein.
Dem Oberkirchenrat A.B. ist zwar zuzugestehen, dass für den Fall der Wahl des Beschwerdeführers zum Superintendentialkurator seine Befangenheit in Angelegenheiten bestehen kann, die die Pfarrgemeinde ***** oder seine Lebensgefährtin als Pfarrerin der Superintendenz betreffen. Einer solchen Befangenheit ist in geeigneter Weise durch die kirchenrechtlich vorgesehenen Vertretungsregelungen zu begegnen. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf § 20 der Verfahrensordnung; danach haben sich Mitglieder ua der Superintendentialausschüsse der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn einer der dort näher genannten Befangenheitsgründe vorliegt.
Zusammenfassend ergibt sich demnach, dass einem Kandidaten der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich oder der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich nicht allein deshalb die Wahlfähigkeit für das Amt des Superintendentialkurators abgesprochen werden kann, weil er bei einer Pfarrgemeinde beschäftigt und seine Lebensgefährtin Pfarrerin in der betreffenden Superintendenz ist, weshalb er in der Ausübung seines Amtes in Einzelfällen, die ihn oder seine Lebensgefährtin (mit-)betreffen, befangen sein könnte.
#Der bekämpfte Bescheid unterliegt sohin in seiner Begründung einer rechtsirrigen Auslegung; er war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufzuheben (§ 46 Abs 3 KVO).
#Wien, am 13. September 2006
Dr. Manfred Vogel e.h.
Präsident