.
Kirchengericht:Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B.
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.07.2008
Aktenzeichen:R1/2008
Rechtsgrundlage:§ 6 Abs 1 WahlO, § 21 Abs 1 WahlO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte: Anfechtung einer Wahl (Art 119 Abs 3 KV), Berichterstattung über die Wahl, Briefwahlkuverts, Briefwahlnummer, Leiter der Wahlkommission, Schwägerschaftsverhältnis, geheime Wahl
#

Leitsatz:

  1. Keine Verletzung des Erfordernisses einer geheimen Wahl, wenn die für die Briefwahl übergebenen grauen Umschläge eine fortlaufende Briefwahlnummer aufweisen. Dies entspricht der Vorgabe des § 21 Abs 1 WahlO und soll sicherstellen, dass die abgegebene Stimme von einer wahlberechtigten Person stammt. Demselben Zweck dient das im Merkblatt der angefochtenen Wahl aufgestellte Erfordernis, Name und Adresse des Absenders auf dem Umschlag zu vermerken. Das Erfordernis einer geheimen Wahl wird durch diese Vorgangsweise deshalb nicht beeinträchtigt, weil sich der Stimmzettel nicht direkt im Umschlag befindet, sondern der Umschlag nur Hülle für ein weiteres - nicht gekennzeichnetes - Kuvert ist, in dem der Stimmzettel verschlossen ist.
  2. Ein - sehr entferntes - Schwägerschaftsverhältnis zwischen dem Leiter der Wahlkommission und einem der Kandidaten (hier: der Urgroßvater der Gattin des Leiters der Wahlkommission ist Bruder der Urgrußmutter eines Kandidaten) verwirklicht keinen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Wahlordnung.
    Eine inhaltlich unrichtige Berichterstattung eines Mediums über die Wahl verwirklicht keinen Verstoß gegen § 6 Abs 1 WahlO.
###
Az: R1/2008
Der Revisionssenat der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich hat durch seinen Präsidenten HRdOGH Dr. Manfred Vogel, die zum geistlichen Amt befähigten Mitglieder Pfarrer i.R. Mag. Gottfried Fliegenschnee und Rektor Dr. Gerhard Harkam sowie die rechtskundigen Mitglieder SPdVwGH Dr. Ilona Giendl und PräsdLG Dr. Hans-Peter Kirchgatterer im Beisein von Sandra Gajić als Schriftführerin
über die Anfechtung der am 17. und 18. Mai 2008 in ***** durchgeführten Pfarrerwahl durch *****, *****, *****,
nach mündlicher Verhandlung den
Beschluss
gefasst:
#
Der Anfechtung der Pfarrerwahl in der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ***** am 17. und 18. Mai 2008 wird nicht stattgegeben.
#

B e g r ü n d u n g :

Am 17. und 18. Mai 2008 fand in der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ***** eine Pfarrerwahl statt, der sich zwei Bewerber stellten. Mit Eingabe vom 29.5.2008, beim Revisionssenat am 2.6.2008 eingelangt, ficht ***** (in der Folge: Beschwerdeführerin) diese Wahl aus folgenden Gründen an:
Sie habe an der Wahl mittels Briefwahl teilnehmen wollen, in der Folge jedoch davon Abstand genommen, weil ihr ein weißes Kuvert anstatt ein blaues - wie im Merkblatt zur Briefwahl angeführt - ausgehändigt worden sei. Darüber hinaus sei dem Erfordernis einer geheimen Wahl (§ 1 Abs 1 der Wahlordnung) nicht entsprochen worden. Auf dem ihr übergebenen äußeren grauen Umschlag habe sich nämlich der Vermerk „BW 53“ befunden, zusätzlich habe das Merkblatt auf dem Umschlag die Namensnennung verlangt. Dies stelle eine geheime Wahl in Frage, weil auf diese Weise eine Zuordnung zum Wählerverzeichnis möglich sei. Zuletzt wird bemerkt, dass „auch das Verwandtschaftsverhältnis [...] des obsiegenden Kandidaten zum Wahlleiter die Wahl nicht in jener Optik erscheinen lässt, die von einer objektiven Wahl Zeugnis zu geben geeignet ist“. Beantragt wird die Wiederholung der Wahl unter Beobachtung, damit dem Grundsatz einer geheimen Wahl entsprochen werde. Zu prüfen sei weiters, dass das Amt des ersten Pfarrers ausgeschrieben, nach Medienberichten jedoch das Ergebnis zur Wahl des zweiten Pfarrers bekannt gegeben worden sei.
Der Superintendentialausschuss der Diözese ***** beantragt, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.
#
Der Revisionssenat nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Mit einem Schreiben vom 7. Mai 2008 hat das Wahlkomitee des Presbyteriums der betroffenen Gemeinde jene Gemeindeglieder, die sich für eine Briefwahl entschieden haben, unter Hinweis auf § 21 der Wahlordnung über folgende Vorgehensweise informiert:
"1. Der mit Ihrer Stimme versehene Stimmzettel (durch Ankreuzen eines Kandidaten) ist in den blauen Briefumschlag ohne Kennzeichnung einzulegen. Diesen unverschlossen (Dreiecklasche einklappen, nicht zukleben!) in den äußeren grauen Umschlag einlegen.
2. Der graue Umschlag (er ist bereits an uns adressiert und mit der Briefwahlnummer versehen) ist an uns per Post zu senden oder im Pfarramt abzugeben (Postkasten bei der Eingangstüre).
3. Am äußeren grauen Umschlag muss unbedingt der Name und die Adresse des Absenders vermerkt sein, sonst ist der Wahlzettel ungültig.
4. Der Stimmzettel muss mit der Post bis spätestens Freitag, 16. Mai 2008 in der Pfarrkanzlei eingelangt sein. Bei Überbringung durch Boten ist dies bis zum 18.5.2008 bis spätestens 12:00 Uhr möglich.
5. Bei mehreren Briefwählern in einem Haushalt muss unbedingt jeder Stimmzettel mit einem eigenen, äußeren Umschlag übermittelt werden."
#
Die angefochtene Wahl führte - einschließlich der Teilgemeinden - zu folgendem Ergebnis:
Wahlberechtigte:
2.496
abgegebene Stimmen:
428
davon Briefwahl:
106
gültige Stimmen:
421
ungültige Stimmen:
7
Pfarrer *****:
343
Pfarrer *****:
78
Die Beschwerdeführerin holte sich an einem Freitag kurz vor 12 Uhr Mittag, aber bereits nach dem offiziellen Kanzleischluss um 11.30 Uhr, in der Pfarrkanzlei für sich und ihre beiden Töchter Unterlagen für die Briefwahl ab. Die noch in der Pfarrkanzlei anwesende Mitarbeiterin konnte zunächst keine blauen Briefumschläge finden und wollte die Kanzlei verlassen, um solche zu suchen. Da die Beschwerdeführerin jedoch erklärte, sie sei sehr in Eile, übergab ihr die Mitarbeiterin weiße Briefumschläge und meinte, das Kuvert bleibe ja neutral. Die Beschwerdeführerin nahm die Unterlagen kommentarlos entgegen. Später fanden sich in der Pfarrkanzlei doch noch einige blaue Kuverts.
#
Rechtlich ist zu erwägen:
Gemäß Art 119 Abs 3 der Verfassung der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich (KV) erkennt der Revisionssenat über die Anfechtung einer Wahl.
Zur Wahlanfechtung nach Art 121 Abs 1 Z 5 KV und zur Einbringung einer Beschwerde in den Fällen des Art 119 Abs 3 KV ist jeder an der angefochtenen Wahl aktiv Wahlberechtigte, jeder Wahlwerber und jede übergeordnete Stelle binnen 14 Tagen ab Kenntnis von Wahlanfechtungsgründen berechtigt.
Die rechtzeitige und zulässige Wahlanfechtung ist inhaltlich nicht berechtigt.
Nach § 1 Abs 1 Wahlordnung haben alle Wahlen in geheimer Abstimmung mit Stimmzetteln ohne Unterfertigung oder sonstige Kennzeichnung zu erfolgen. Nach § 6 Abs 1 Wahlordnung kann eine Wahl dann angefochten werden, wenn sie von einem unzuständigen Wahlkörper vorgenommen wurde, wenn Wahlbestechungen oder Wahlumtriebe stattfanden oder wenn sich sonstige grobe Ordnungswidrigkeiten ereigneten, die das Ergebnis der Wahl beeinflusst haben.
Auch die Pfarrerwahl kann in Form einer Briefwahl erfolgen (§ 27 Abs 2 Wahlordnung). Eine Briefwahl ist nach folgender - in § 21 Wahlordnung festgelegter -Vorgangsweise durchzuführen: Den Wahlberechtigten ist mit dem Wahlvorschlag ein Briefumschlag zu übermitteln, der zur Abgabe des Stimmzettels verwendet werden kann. Dieser Briefumschlag trägt keinerlei Kennzeichnung. Ein weiterer mit fortlaufender Nummer und dem Vermerk "Briefwahl" versehener Briefumschlag zur Rücksendung der Stimme ist anzuschließen (Abs 1). Der Stimmzettel ist in den übermittelten Briefumschlag ohne Kennzeichnung einzulegen, der unverschlossen in den äußeren Umschlag einzuschließen ist (Abs 2). Die verschlossenen Außenumschläge der brieflich abgegebenen Stimmzettel sind vom Vorsitzenden zu öffnen, die unverschlossenen Umschläge sind zu entnehmen und den persönlich abgegebenen Stimmzetteln hinzuzufügen. Dabei ist auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses zu achten. Erst dann erfolgt die Zählung aller abgegebenen Stimmen (Abs 5).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist das Erfordernis einer geheimen Wahl nicht bereits dadurch verletzt worden, dass sich auf dem ihr übergebenen äußeren grauen Umschlag eine fortlaufende Briefwahlnummer befand. Dies entspricht der Vorgabe des § 21 Abs 1 Wahlordnung und soll sicherstellen, dass die abgegebene Stimme von einer wahlberechtigten Person stammt. Demselben Zweck dient das im Merkblatt der angefochtenen Wahl aufgestellte Erfordernis, Name und Adresse des Absenders auf dem Umschlag zu vermerken. Das Erfordernis einer geheimen Wahl wird durch diese Vorgangsweise deshalb nicht beeinträchtigt, weil sich der Stimmzettel nicht direkt im Umschlag befindet, sondern der Umschlag nur Hülle für ein weiteres - nicht gekennzeichnetes - Kuvert ist, in dem der Stimmzettel verschlossen ist.
Auch dass der Beschwerdeführerin zur Aufnahme des Stimmzettels ein weißes anstatt - wie im Merkblatt ausgeführt - ein blaues Kuvert übergeben worden ist, macht die Wahlanfechtung nicht erfolgreich. Der im Wahlakt enthaltenen Stellungnahme des Leiters der Wahlkommission ist zu entnehmen, dass die eingelangten Briefwahlkuverts (Umschläge) von den Mitgliedern der Wahlkommission geöffnet und die darin enthaltenen Kuverts in die Wahlurne geworfen wurden. Danach wurde die Urne geleert, die darin befindlichen Kuverts geöffnet und die Stimmzettel in zwei Stapel (entsprechend den beiden Kandidaten) geordnet. Die Kuverts wurden sodann in unbeschädigte und beschädigte getrennt; erst dabei fiel auf, dass sich unter den blauen Kuverts auch ein oder höchstens zwei weiße befanden. Die von der Wahlkommission gewählte Vorgangsweise entspricht somit den Vorgaben des § 21 Abs 5 Wahlordnung und gewährleistet auch für Briefwähler die Wahrung des Wahlgeheimnisses.
Mag nun auch - wie sich aus der Stellungnahme der Gemeindemitarbeiterin ergibt - in vier (berücksichtigt man die nach der Wahl aufgefundenen bis zu zwei Kuverts höchstens in sechs) Fällen Wahlberechtigten anstelle des im Merkblatt bezeichneten blauen Kuverts ein weißes Kuvert ausgefolgt worden sein, liegen nach dem ermittelten Sachverhalt und dem eindeutigen Wahlergebnis (Pfarrer ***** 343 Stimmen, Pfarrer ***** 78 Stimmen) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dadurch das Ergebnis der Wahl beeinflusst worden wäre.
Gleiches gilt für den Umstand, dass ein - sehr entferntes - Schwägerschaftsverhältnis zwischen dem Leiter der Wahlkommission und einem der Kandidaten besteht (der Urgroßvater der Gattin des Leiters der Wahlkommission ist Bruder der Urgroßmutter eines Kandidaten).
Damit fehlt es an einer Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung (§ 6 Abs 1 Wahlordnung).
Letztlich sei festgehalten, dass eine inhaltlich unrichtige Berichterstattung eines Mediums über die Wahl keinen Wahlanfechtungsgrund bilden kann.
#
Die Wahlanfechtung ist somit unbegründet.
#
Wien, am 31. Juli 2008
Dr. Manfred Vogel e.h.
Präsident